Reform der deutschen Stromnetzentgeltsystematik: Sollen Einspeiser Netzentgelte zahlen?
Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat im Mai 2025 ein Diskussionspapier über die Zukunft der Stromnetzentgelte in Deutschland veröffentlicht.1 Das Papier stellt kritische Fragen zur zukünftigen Netzentgeltsystematik in Deutschland und die Konsultation könnte zu einer vollständigen Neugestaltung der Systematik zur Bildung der Netzentgelte führen.
Nachdem der Europäische Gerichtshof festgestellt hat, dass die bisherige normative Regulierung auf Grundlage von Rechtsverordnungen der Bundesregierung gegen die Elektrizitätsbinnenmarktrichtlinien verstößt, muss die BNetzA ab 2029 den bisherigen Regulierungsrahmen durch eine neue Festlegung der Netzentgelte ersetzen.2
Die Überarbeitung der Netzentgeltsystematik bietet auch eine Gelegenheit, den tiefgreifenden strukturellen Veränderungen und neuen Herausforderungen an das Stromnetz, die sich aus dem Ziel der Klimaneutralität und dem fortschreitenden Ausbau der erneuerbaren Energien (EE) ergeben, Rechnung zu tragen. Die dezentrale Energieerzeugung und die zeitliche Entkoppelung der Nachfrage, die volatileren Einspeiseprofile erneuerbarer Quellen, der zunehmende Eigenverbrauch und das Entstehen von Prosumern (Energieverbrauchern, die beispielsweise über PV-Anlagen auch Strom produzieren und Überschüsse in das Netz einspeisen können) sowie der insgesamt stark steigende Strombedarf legen nahe, die derzeitige Netzentgeltsystematik, in dem sämtliche Entgelte verbrauchsabhängig allein von den Entnehmern getragen werden, grundlegend zu überprüfen.
Die BNetzA stellt im Rahmen des Konsultationsverfahrens fünf Hauptfragen: (1) Sollen sich auch Einspeiser an der Finanzierung der Netzkosten beteiligen?, (2) Mit welchen Netzentgeltkomponenten soll die Netznutzung abgerechnet werden?, (3) Soll es regional und zeitlich differenzierte dynamische Netzentgelte geben?, (4) Sollen die Entgelte über die lokalen Verteilernetze hinweg vereinheitlicht werden und (5) Wie soll das zukünftige Entgeltregime für Speicher aussehen?3
In diesem Artikel wird die erste Frage erörtert, ob sich künftig auch Einspeiser an der Finanzierung der Netzkosten beteiligen sollen. Zunächst beschreiben wir den Problembefund, zweitens beleuchten wir die Vor- und Nachteile eines Systemwechsels und diskutieren die Frage, inwieweit ein solcher Systemwechsel die Gesamtnetzkosten senken kann. Im dritten Schritt weisen wir darauf hin, dass die Kosten letztlich dennoch von den Verbrauchern getragen werden dürften. Als Viertes untersuchen wir die Wechselwirkungen mit staatlichen Beihilfen, die die vorangegangenen Ergebnisse relativieren können. Fünftens behandeln wir Fragen der Besitzstandswahrung, bevor wir im letzten Schritt unsere Schlussfolgerungen zusammenfassen.
Systemkosten und Kostenverursachung
Der Ausbau der EE-Erzeugung ist ein „[w]esentlicher Treiber der Kosten im Netz“.4 Darüber hinaus steigen die zusätzlichen Systemkosten infolge der fluktuierenden EE-Einspeiseprofile.5 Dabei handelt es sich um Ausgaben, die durch die Stromerzeugung für die Netze anfallen und über die direkten Kosten der Stromerzeugung im Kraftwerk hinausgehen. Hierzu zählen insbesondere Maßnahmen des Engpassmanagements, Ausgleichs- und Regelleistungen sowie die erforderliche Verstärkung und Erweiterung der Netzinfrastruktur.
Das Engpassmanagement gehört zu den größten zusätzlichen Systemkosten, die mit dem Ausbau der EE verbunden sind, da die Volatilität der EE-Einspeisung kontinuierlich ausgeglichen werden muss. Ein erheblicher Teil der erneuerbaren Erzeugungskapazitäten befindet sich im windreichen Norden und Osten, während die industriellen Nachfragezentren im Süden und Westen liegen; daraus resultieren strukturelle Transportengpässe. Zur Entschärfung dieser Engpässe müssen die Netzbetreiber kostenintensive Maßnahmen wie Redispatch und Countertrading einsetzen.6 Die Kosten für das Engpassmanagement in Deutschland betrugen im Jahr 2023 mehr als 3 Milliarden Euro, gegenüber etwa 1,5 Milliarden Euro im Jahr 2018.7
Weil Einspeiser in Deutschland bislang keine Netzentgelte zahlen, besteht eine grundlegende Diskrepanz zwischen der Kostenzuordnung und den tatsächlichen Kostentreibern in einem zunehmend EE-dominierten System. Diese Fehlanpassung führt zu einer ineffizienten Netznutzung und verzerrten Investitionssignalen. Gleichzeitig bietet sie starke finanzielle Anreize für den EE-Ausbau—ein zentrales Element der Dekarbonisierungsstrategie und des schrittweisen Ausstiegs aus der Verstromung fossiler Brennstoffe, insbesondere Braunkohle. Zum Vergleich: Im deutschen Gassektor gibt es bereits Einspeiseentgelte und auch in anderen großen europäischen Ländern beteiligen sich Einspeiser an den Netzkosten.8
Vor diesem Hintergrund sieht die BNetzA in Einspeiseentgelten ein geeignetes Instrument, Stromerzeuger an der Finanzierung der Netzinfrastruktur zu beteiligen und damit die Kostenreflexivität sowie Anreize für netzdienliches Verhalten zu verbessern.9 Ziel ist es effizientere Investitionsentscheidungen zu fördern um so die Gesamtnetzkosten—und damit die Netzentgelte—zu senken.
Die BNetzA prüft verschiedene Ausgestaltungsvarianten. Sie diskutiert Einspeiseentgelte, die sich entweder 1) an der von den Erzeugern im Voraus gebuchten Netzanschlusskapazität, 2) an der Menge des ins Netz eingespeisten Stroms, 3) an der eingespeisten Höchstlast, 4) an einem pauschalen Betrag pro Netzanschluss oder 5) an einer Anschlussgebühr für neue Anlagen orientieren. Die Entgelte könnten auch regional differenziert werden.10
Darüber hinaus prüft die BNetzA, ob auch Bestandsanlagen nachträglich an der Refinanzierung des Netzausbaus beteiligt werden sollten, da sie in der Vergangenheit bereits zu diesem beigetragen haben. Solche Ex-post-Änderungen berühren jedoch bestehende Geschäftsmodelle und rufen Akzeptanzprobleme hervor.11
Kostenreflexivität und Anreize für optimales Verhalten
Das Hauptziel einer effizienten Tarifgestaltung besteht darin, sicherzustellen, dass die Preise die zugrundeliegenden (System-)Kosten für die Erbringung einer Dienstleistung präzise widerspiegeln und dadurch wirtschaftliche Entscheidungen in Richtung eines gesellschaftlich optimalen Ergebnisses lenken. Im Kontext von Stromnetzen bedeutet dies, Anreize für effiziente Erzeugungs-, Verbrauchs- und Investitionsmuster zu setzen, wobei Investitionen von transparenten Kosten-Nutzen-Analysen gestützt werden.
Die von der BNetzA vorgeschlagenen Einspeiseentgelte zielen darauf ab, die kostenreflexive Kostenallokation zu verbessern, indem sie zusätzliche, durch Einspeisung verursachte Systemkosten internalisieren.12 Die sich daraus ergebenden Einspeiseentgelte könnten wirksame Signale dafür geben, wie und wo Anlagen kostengünstig errichtet werden können, „um einen unnötig teuren Ausbau der Netze zu vermeiden“.13 Im Ergebnis kann dies zu geringeren Gesamtnetzkosten führen und damit auch die Netzentgelte senken.
Die Einspeiseentgelte müssen granular, vorausschauend und verhältnismäßig sein, damit diese Wirkung eintritt. Gut konzipierte Tarife können Einspeiser dazu ermutigen, ihren Betrieb zu optimieren, neue Anlagen strategisch in Gebieten mit freien Netzkapazitäten zu platzieren und die Einspeisung an die Netzbedingungen anzupassen, wodurch Engpässe und die Abhängigkeit von teuren Redispatch-Maßnahmen verringert werden. Um diese Vorteile zu erreichen, sind belastbare Modellierungen erforderlich, die einen robusten, quantifizierbaren Zusammenhang zwischen dem spezifischen Verhalten eines Kraftwerks und den verursachten Netzkosten herstellen.
Im Gegensatz dazu würde ein pauschaler, undifferenzierter Arbeitspreis je eingespeister Megawattstunde wohl nicht effizientes Verhalten anreizen, da er die tatsächlichen Kosten für das Netz nicht genau widerspiegelt. Solch ein Ansatz verfehlt somit das Ziel einer systemweiten Effizienzsteigerung.
Standortabhängige sowie an Einspeisespitzen geknüpfte Entgelte hingegen können klare Signale setzen, da sie dort oder dann steigen, wenn das Netz besonders belastet ist. Dies veranlasst Erzeuger, ihre Einspeisung räumlich oder zeitlich zu verlagern und die Netzüberlastung zu verringern. Dadurch werden kostspielige Redispatch-Maßnahmen und zusätzliche Netzausbauten reduziert. Das Prinzip der Kostenreflexivität—als ein Anreiz für optimales Verhalten—spricht für regional differenzierte Entgelte, wie sie von der BNetzA erwogen werden. Gleichzeitig führen regional differenzierte und dynamische Tarife zu einer Neuverteilung von Kosten mit Gewinnern und Verlierern. Daher muss einer solchen Neuverteilung eine solide wirtschaftliche Analyse vorangehen, um Verteilungsgerechtigkeit sicherzustellen.
Pass-on zusätzlicher Erzeugerkosten
Auf wettbewerbsorientierten Strommärkten versuchen die Stromerzeuger, neu anfallende Einspeiseentgelte über höhere Stromgroßhandelspreise an die Verbraucher weiterzureichen—sog. Pass-on—um die höheren Kosten zu decken und ihre Kapitalrenditen zu sichern.
Auch wenn das Ausmaß der Weitergabe höherer Kosten an die Endverbraucher einer empirischen Analyse bedarf und sich im Zeitverlauf sowie zwischen Ländern und nach Versorger unterscheiden kann, ist es wichtig zu berücksichtigen, dass höhere Großhandelspreise auch Druck auf die Preise für Endverbraucher ausüben. Im Allgemeinen hängt der Grad der Kostenüberwälzung von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel:14
- Enthält eine neue Tarifstruktur feste Bestandteile, so lassen sich diese innerhalb eines Abrechnungszeitraums schwerer weiterreichen als variable Bestandteile.
- Das Ausmaß des Pass-on hängt von der Marktstruktur und der Marktmacht ab, da Unternehmen mit Marktmacht Preis und Menge optimieren können und möglicherweise entscheiden, einige Kostensteigerungen aufzufangen.
- Internationaler Wettbewerb begrenzt das Ausmaß des Pass-on, wenn heimische Erzeuger mit Importstrom konkurrieren, der nicht mit vergleichbaren Einspeiseentgelten belastet ist.
- Kurzfristig hängt der Pass-on auch von vertraglichen Verpflichtungen wie Festpreisverträgen oder langfristigen Stromabnahmevereinbarungen ab.
In Summe ist daher zu erwarten, dass zumindest ein Teil der zusätzlichen Kosten für Erzeuger weitergeben wird, sodass—unabhängig von einer Änderung des Tarifsystems—letztlich die Verbraucher die Netzentgelte zahlen.
Ein Pass-on der zusätzlichen Einspeiseentgelte ist nicht per se problematisch: In einem kompetitiven Markt konkurrieren Erzeuger über den Preis miteinander, und Stromgroßhandelspreise sollten die tatsächlichen volkswirtschaftlichen Kosten einschließlich der Netznutzung widerspiegeln. Der Pass-on beeinträchtigt den oben beschriebenen Anreizeffekt für die Erzeuger nicht, da diese einen Anreiz behalten, ihre Kosten so niedrig wie möglich zu halten—auch wenn sie einen Teil ihrer Kosten in den Endkundentarifen weitergeben.
Dennoch ist es wichtig, den Pass-on sowohl unter dem Aspekt der Effizienz als auch der sozialen Fairness zu bewerten. Zwar macht die BNetzA deutlich, dass bei einer Einbeziehung der Einspeiser die direkten Kosten für die Verbraucher gesenkt werden.15 Jedoch kann es trotzdem zu Verteilungseffekten kommen, wenn einige Verbrauchergruppen stärker betroffen sind als andere, beispielsweise infolge regional differenzierter Entgelte, was insbesondere für einkommensschwache Endverbraucher ein Problem darstellen kann.
Interdependenz mit staatlichen Beihilfen
Strom aus EE wird in Deutschland staatlich gefördert. Da die Höhe der staatlichen Beihilfe von den Kosten für die Erzeuger abhängen kann, verändert die Einführung zusätzlicher Einspeiseentgelte potentiell auch die Bemessungsgrundlage staatlicher Beihilfen und damit die Belastung des Bundeshaushalts.
Der derzeitige Rechtsrahmen für die staatliche Förderung von EE-Strom ist das EEG 2023, das die Fördermaßnahmen bis Ende 2026 regelt.16 Da eine Reform der Netzentgeltsystematik erst ab 2029 wirksam würde, können heute keine konkreten Schlussfolgerungen zur Wechselwirkung zwischen der Netzentgeltsystematik und staatlichen Beihilfen für Neuanlagen gezogen werden. Es ist jedoch davon auszugehen, dass EE-Anlagen auch nach 2026 gefördert werden und dass die Ausgestaltung der künftigen Fördermaßnahmen strukturell an das bestehende System anknüpft. Hinzu kommt, dass die EEG-Förderung in der Regel für 20 Jahre gewährt wird, so dass viele Fördermaßnahmen weiterlaufen, wenn eine neue Netzentgeltsystematik eingerichtet wird.
Das EEG fördert die EE-Erzeugung in erster Linie durch finanzielle Instrumente wie Marktprämien und Einspeisevergütungen. Für größere Anlagen (oberhalb bestimmter Kapazitätsgrenzen) wird die Förderung im Rahmen wettbewerblicher Ausschreibungen ermittelt: Erfolgreiche Projekte erhalten eine gleitende Marktprämie, die die Differenz zwischen einem Referenzwert (der die Produktionskosten zuzüglich einer angemessenen Rendite in Form des Gebots widerspiegelt) und dem Börsenstrompreis ausgleicht.17 Kleinere oder innovative Anlagen können stattdessen administrativ festgesetzte Einspeisetarife beziehen.18
Die Höhe der Beihilfe basiert auf einer so genannten Finanzierungslückenanalyse. Bei dieser Berechnungsmethode für Einspeiseprämien werden sämtliche relevanten Kosten (CAPEX und OPEX) und Erlöse eines repräsentativen EE-Projekts über seine erwartete wirtschaftliche Lebensdauer quantifiziert und abgezinst. Die Erlöse basieren auf den prognostizierten Strompreisen. Die Summe der abgezinsten Kosten und Einnahmen ist der Kapitalwert (net present value—NPV) des Projekts. Die Finanzierungslücke wird als Differenz zwischen dem Kapitalwert des Vorhabens und dem Kapitalwert eines „kontrafaktischen Szenarios“ berechnet, also einem Szenario ohne Beihilfe. Es wird angenommen, dass das Projekt im kontrafaktischen Szenario nicht durchgeführt wird, was einen Kapitalwert von Null zur Folge hätte. Dementsprechend entspricht die Finanzierungslücke dem Kapitalwert der Projektkosten abzüglich der Einnahmen ohne Beihilfe.19 Bei der Ausschreibung von EE-Förderung führen die Projektentwickler eine solche Finanzierungslückenanalyse selbst durch, deren Ergebnisse sich dann in ihren Geboten widerspiegeln.
Einspeiseentgelte erhöhen die Betriebskosten, welche in die beschriebenen Kapitalwertberechnung eingehen. Die Einführung von Einspeiseentgelten lassen daher—ceteris paribus—die Finanzierungslücke wachsen. Ergänzend berücksichtigt die Kapitalwertberechnung auch die prognostizierten Strompreise. Dessen Entwicklung hängt zwar von vielen Faktoren ab, wie zum Beispiel von der Höhe der in den Folgejahren hinzukommenden Stromerzeugung. Es ist jedoch davon auszugehen, dass die Strompreise unter Preisdruck stehen, wenn die Erzeuger zusätzliche Netzentgelte weitergeben. Ein mögliches Ergebnis wäre, dass ein Anstieg der Strompreise jeden Anstieg der zusätzlichen Betriebskosten vollständig ausgleichen würde und die Netzentgelte beihilfeneutral wären. Die Bestimmung des Nettoeffekts auf den erforderlichen Beihilfebetrag ist jedoch eine komplexe Angelegenheit, die eine sorgfältige wirtschaftliche Analyse erfordert. Nichtsdestotrotz gibt es ein mögliches Szenario, in welchem sich die Finanzierungslücke vergrößert, wenn die Stromerzeuger Netzentgelte zahlen.
Sofern die Möglichkeit besteht, dass die öffentliche Hand einen beträchtlichen Teil der zusätzlichen Kosten kompensiert, sinkt theoretisch der Anreiz für die Erzeuger, die Netzentgelte an die Verbraucher weiterzugeben. Aus Sicht der Erzeuger spielt es keine Rolle, ob die zusätzlichen Kosten von den Verbrauchern oder vom Staat getragen werden, und der Wettbewerb zwischen ihnen könnte dazu führen, dass sie davon absehen, den Kunden höhere Strompreise in Rechnung zu stellen. Man kann daher erwarten, dass der Pass-on an die Verbraucher tendenziell geringer ausfällt, wenn der Staat die Mehrbelastung kompensiert.
Bei einer solchen Kompensation durch staatliche Beihilfen kann der intendierte Kostenanreizeffekt der Einspeiseentgelte leiden. Wir haben diskutiert, dass ein Pass-on dem Kosten- (und Effizienz-)Anreiz nicht schadet, da der Wettbewerb die Erzeuger dazu zwingt, die Kosten möglichst gering zu halten. Dieser Wettbewerbsdruck könnte jedoch im Rahmen staatlicher Beihilfen—abhängig von den spezifischen Regelungen—abgeschwächt werden. Die Praxis Fördermittel wettbewerblich auszuschreiben kann einen Schutz gegen die Abschwächung des Kostenanreizeffekts darstellen. Die Hersteller müssen hierbei entscheiden, ob und in welchem Umfang sie versuchen, die zusätzlichen Kosten an den Staat und nicht an ihre Kunden weiterzugeben. Dies begrenzt—ceteris paribus—das Ausmaß zu dem die von den Erzeugern erhobenen Netzentgelte effektiv an den Staat weitergegeben werden.
Da nicht alle Energieerzeuger staatliche Beihilfen erhalten, kann die potenziell selektive Möglichkeit der Kompensation von Einspeiseentgelten durch staatliche Beihilfen zu Wettbewerbsverzerrungen auf dem Stromerzeugungsmarkt führen. Im Extremfall würden die Beihilfeempfänger die Netzentgelte überhaupt nicht an die Verbraucher weitergeben, während die Nichtempfänger die Netzentgelte weitergeben müssten.
Für ein vollständiges Verständnis der Wechselwirkung zwischen den von Einspeisern erhobenen Netzentgelten und staatlicher Beihilfe wäre eine deutlich umfassendere Analyse, einschließlich einer juristischen Prüfung, erforderlich. Zwar lassen sich die zusätzlichen Netzentgelte recht leicht in die Kapitalwertberechnungen einbeziehen, doch ist der Mechanismus der Weitergabe dieser Entgelte an (möglicherweise) höhere Strompreise, insbesondere angesichts veränderter Anreize zur Weitergabe, weitaus weniger offensichtlich.
Aus Sicht der Stromrechnung ist es zunächst willkommen, wenn der Staat einen Teil der Netzentgelte übernimmt. Allerdings könnte die BNetzA damit faktisch andere Bundesbehörden (etwa das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz) verpflichten, ihre bestehende Förderung für EE-Erzeuger auszuweiten, was wohl eine politische Entscheidung erfordern würde. Zudem könnte die Übernahme eines Teils der Netzentgelte durch den Bund selbst als Beihilfe gelten, die einer Genehmigung durch die Europäische Kommission bedürfe.
Das EEG (einschließlich früherer Fassungen) sieht einen jährliche Abgleich der tatsächlichen Kosten und Erlöse vor, woraus sich Änderungen der Förderhöhe ergeben können.20 Dieses Monitoring soll Überkompensation verhindern. Es ist jedoch unklar, ob neu eingeführte Einspeiseentgelte als zusätzliche Kosten der Erzeuger in diesem Mechanismus berücksichtigt würden und damit die systematische Änderung der Netzentgelte aufgefangen würde.
Besitzstandswahrung
Die Einführung von Einspeiseentgelten erfordert eine sorgfältige Prüfung der Besitzstandswahrung, denn bestehende Erzeugungsanlagen wurden auf Grundlage des bisherigen Regulierungsrahmens geplant, finanziert und errichtet. Eine abrupte Belastung dieser Bestandsanlagen mit neuen Netzentgelten könnte ihre Wirtschaftlichkeit erheblich beeinträchtigen und die regulatorische Stabilität, Investitionssicherheit sowie das Fairnessgebot in Frage stellen. Dies wiederum würde das Vertrauen in künftige Investitionsentscheidungen schwächen.
Ein strukturierter Übergang mit Bestandsschutz oder einer schrittweisen Einführung von Einspeiseentgelten für bestehende Anlagen ist daher unerlässlich. Zentrale Elemente eines strukturierten Übergangs könnten sein:
- klare Übergangsfristen, frühzeitig und transparent kommuniziert, die den Betreibern ausreichend Zeit für finanzielle und betriebliche Anpassungen geben;
- eine stufenweise Einführung, bei der die Entgelte über einen bestimmten Zeitraum schrittweise erhöht werden, um die wirtschaftlichen Auswirkungen abzufedern und Kostenschocks vermeiden;
- eine nach dem Installationsdatum differenzierte Besitzstandsregelung, die längere Übergangsfristen für ältere Anlagen und kürzere für neuere Anlagen vorsieht; und
- Kapazitäts- oder Auslastungsschwellen, um kleine oder gering ausgelastete Anlagen vor unverhältnismäßigen finanziellen Belastungen schützen.
Darüber hinaus können klare Bestandsschutzregelungen potenzielle rechtliche Risiken und politischen Widerstand mindern und so die Akzeptanz der neuen Tarifstruktur erleichtern und eine reibungslose Umsetzung sicherstellen. Eine proaktive Kommunikation und transparente Umsetzungsfristen sind unerlässlich, um das Vertrauen der Investoren zu erhalten, Marktstabilität zu bewahren und den weiteren Ausbau von EE-Anlagen ohne unnötige wirtschaftliche Verwerfungen zu gewährleisten.
Fazit
Der von der BNetzA eingeleitete Konsultationsprozess könnte zu einer grundlegenden Neugestaltung der Netzentgeltsystematik führen, bei der künftig auch die Einspeiser an der Finanzierung der Netzkosten—einschließlich der durch den Ausbau erneuerbarer Energien steigenden zusätzlichen Systemkosten—beteiligt werden.
Einspeiseentgelte veranlassen die Einspeiser, die von ihnen erzeugten zusätzlichen Systemkosten zu internalisieren, und können wirksame Signale dafür senden, wie und wo Anlagen effizient betrieben werden können. Langfristig könnten so die Gesamtnetzkosten und damit auch die Netzentgelte sinken.
Voraussichtlich wird ein erheblicher Teil der neuen Einspeiseentgelte über höhere Großhandelspreise an die Endverbraucher weitergereicht, sodass diese letztlich weiterhin den Großteil der Netzkosten tragen. Gleichwohl bleiben Anreize für eine kostensensitive Netznutzung bestehen.
Die Interdependenz von Einspeiseentgelten und staatlicher Beihilfe erfordert eine vertiefte ökonomische und rechtliche Analyse. Werden die Entgelte nicht vollständig weitergereicht, steigen ceteris paribus die Beihilfen infolge einer Einführung von Einspeiseentgelten. Neben den politischen Implikationen der zusätzlichen Beihilfebeträge müssen auch der anreizhemmende Effekt und mögliche Wettbewerbsverzerrungen sorgfältig geprüft werden. Zudem ist ein stringentes Konzept zur Besitzstandswahrung unerlässlich, da bestehende Kraftwerke auf Grundlage bestehender regulatorischer Bedingungen geplant, finanziert und errichtet wurden.
Footnotes
1 Bundesnetzagentur (2025), „Diskussionspapier Rahmenfestlegung der Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom (AgNeS)”.
2 Ebd., S. 3.
3 Ebd., Abschnitt 5.
4 Bundesnetzagentur (2025), „Bundesnetzagentur veröffentlicht Diskussionspapier zur Bildung der Stromnetzengelte”.
5 Bundesnetzagentur (2025), „Diskussionspapier Rahmenfestlegung der Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom (AgNeS)”, S. 7–8.
6 Jacobs University, Oxera (2021), „Weiterentwicklung der Anreize für Digitalisierung und Innovation in der Anreizregulierung der ÜNB”, 3. November, S. 16.
7 IEA (2025), „Energy Policy Review – Germany”, S. 50.
8 Bundesnetzagentur (2025), „Diskussionspapier Rahmenfestlegung der Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom (AgNeS)”, S. 25.
9 Ebd., S. 25–27.
10 Ebd., S. 26.
11 Ebd., S. 27.
12 Ebd., S. 27.
13 Bundesnetzagentur (2025), „Bundesnetzagentur veröffentlicht Diskussionspapier zur Bildung der Stromnetzengelte”.
14 Europäische Kommission (2016), „Study on the passing on overcharge – Final report”.
15 Bundesnetzagentur (2025), „Diskussionspapier Rahmenfestlegung der Allgemeinen Netzentgeltsystematik Strom (AgNeS)”, S. 25.
16 Beschluss SA.102084 (2022/N), Abs. 4.
17 Beschluss SA.102084 (2022/N), Abs. 20–21.
18 Beschluss SA.102084 (2022/N), Abs. 22–24.
19 Beschluss SA.102084 (2022/N), Abs. 32–44.
20 Beschluss SA.102084 (2022/N), Abs. 217–218.